2.3 Wie werden Diskussionsspiele genutzt?
Manche Gespräche über Gefühle und Situationen, die in der Gruppe stattfinden, sind sehr stark von der Situation der Geschwister geprägt. Durch die strukturierte Planung dieses Teils der Gruppentreffen erreichen Sie, dass alle Geschwister mit an der Diskussion teilnehmen können und ein weiter Bereich an Themen abgedeckt werden kann.
Ziel der Diskussionsspiele/ Gesprächsgruppen: Das Ziel der Gesprächsgruppen ist es, die sehr besonderen Erfahrungen der Geschwister anzuerkennen, und ihnen innerhalb des geschützten Raums die Gelegenheit zu geben, ins Gespräch zu kommen,
- um ihre Gefühle und Ängste im unterstützenden Rahmen anzusprechen.
- um ihre Erfahrungen und Gefühle mit denen anderer Kinder in ähnlicher Situation auszutauschen.
- um kontroverse Gefühle, die die Kinder gegenüber ihrem behinderten/kranken Geschwister haben, anzusprechen (Schuldgefühle über normale Eifersucht unter Geschwistern, Neid auf die zusätzliche Aufmerksamkeit, die das kranke Kind erhält, Gefühle von Ungerechtigkeit, dass von ihnen ein besonderes Verhalten erwartet wird, gleichzeitig mit Liebe und Fürsorge für das kranke Kind).
- um Anerkennung für die besondere Rolle des Geschwisters in der Familie zu geben.
- um gemeinsam Lösungen für schwierige Situationen zu fi nden und Hilfsangebote kennenzulernen.
Viele Kinder berichten, dass sie zu Hause nicht oft die Gelegenheit erfahren, diese Punkte ansprechen zu können. Dies ist teilweise der fehlenden Zeit der Eltern geschuldet, aber auch deren Bemühen, die Geschwister mit gewissen Themenbereichen zu verschonen. Viele Geschwister haben das Bedürfnis, ihre Eltern nicht zusätzlich zu belasten, da diese bereits die Sorge um ein behindertes/krankes Kind haben.
Wie funktionieren Gesprächsgruppen? Nutzen Sie Ideen aus dem Bereich „4. Spiele und Aktivitäten“. Viele dieser Spiele sind dazu gedacht, Diskussionen in entspannter, unterhaltsamer Art anzuregen. Kinder sind grundsätzlich gerne und schnell bereit, sich mitzuteilen, wenn sie erkennen, dass die anderen das gleiche Anliegen und ähnliche Erfahrungen haben. Außerdem kennen sie die Spiele oft bereits aus der Schule.
Das Grundprinzip zur Anregung der Diskussionen von Gefühlen ist:
- Erkennen Sie das dominierende Gefühl. Holen Sie sich weitere Informationen ein, stellen Sie keine Vermutungen an. Sie können Kommentaren über Gefühle auch mit weiteren Fragen zum besseren Verständnis begegnen. Die Gefühle anzuerkennen, heißt nicht unbedingt, den Reaktionen auf sie zuzustimmen! Es kann notwendig sein, den Kindern zu helfen, sich selbst Grenzen zu setzen und alternative Wege zum Ausdruck ihrer Gefühle zu finden.
- Helfen Sie den Kindern die Gefühle in Worte zu fassen – Kinder argumentieren oft „schwarz oder weiß“, da ihnen die Worte für „dazwischen“ fehlen. Wenn Sie die Kinder falsch verstehen, werden sie Sie korrigieren!
- Innerhalb der Gruppe können Sie die anderen Kinder fragen, ob sie manchmal genauso empfinden.
- Zögern Sie nicht zuzugeben, dass Sie keine Antwort haben, aber diese suchen werden.
- Erlauben Sie Tränen und Zorn ebenso wie das plötzliche Wechseln der Stimmung.
- Stellen Sie „offene“ Fragen, keine leitenden oder geschlossene („Wie kam es dazu, dass Du so fühlst?“ nicht „Warum bist Du ärgerlich geworden?“). Kinder geben oftmals die Antwort, von der sie glauben, dass sie erwartet wird. Helfen Sie ihnen, die richtigen Worte zu finden, ohne ihnen die Antwort in den Mund zu legen – manchmal ist es hilfreich, das Gehörte mit anderen Worten zusammenzufassen und zu fragen, ob es das ist, was die Kinder gemeint haben.
- Überprüfen Sie, ob sie die Frage richtig verstanden haben – ein klassisches Beispiel hierfür ist folgende Situation: Das Kind fragt „Woher komme ich?“. Nachdem die Eltern die gesamte Aufklärungsthematik durchgegangen sind, sagt das Kind „Mein Freund sagt, er kommt aus Hamburg.“
Emotionale und verbale Kompetenz: Es kann hilfreich sein, sich folgende Punkte zu vergegenwärtigen:
- Um die eigenen Gefühle unter Kontrolle zu haben, muss man sie verstehen lernen.
- Um die eigenen Gefühle zu verstehen, muss man über sie reden oder zumindest über sie nachdenken.
- Um über die eigenen Gefühle zu reden oder nachzudenken, braucht man ein ausreichendes Vokabular und sollte die Feinheiten der unterschiedlichen Bedeutungen erkennen.
Ein Großteil der Gespräche wird über das allgemeine Empfinden gegenüber dem behinderten/kranken Geschwister geführt werden.
Kinderschutz-Richtlinien: Versprechen Sie nie, etwas für sich zu behalten, sondern sagen Sie: „Ich werde nicht darüber sprechen, außer es muss wirklich weitergegeben werden“. Dies gilt für Gruppen ebenso wie für Einzelgespräche. Das Wort „Geheimnis“ sollte vermieden werden.
Wann Sie eingreifen müssen: Wenn ein Kind sehr auffällig ist, kontinuierlich depressiv wirkt, Zeichen von Selbstverletzung zeigt, Zeichen von Misshandlung sichtbar sind oder das Kind sich permanent von der Gruppe isoliert, sollten Sie Experten zu Rate ziehen und unbedingt reagieren!
Was sage ich, wenn…? Als Gruppenleiter einer Diskussionsrunde kann es sein, dass Sie Bedenken haben, falls einige Fragen auftauchen, auf die Sie keine Antwort geben können. Orientieren Sie sich an den oben genannten Punkten und bereiten Sie sich auf einige typische Beispiele vor:
Frage/Aussage: Ich hasse meinen Bruder/ Schwester/Familie.
Mögliche Antwort: Wann fühlst Du so?
Frage/Aussage: Ich kann gar nichts gut.
Mögliche Antwort: Hat das jemand zu Dir gesagt? Worin wärst Du gerne gut?
Frage/Aussage: Mein Bruder/Schwester wird bald sterben.
Mögliche Antwort: Wieviel weißt Du über seinen/ihren Zustand? Du machst Dir große Sorgen?
Frage/Aussage: Ich werde weglaufen.
Mögliche Antwort: Wohin gehst Du? Wie schützt Du Dich? Du hältst es zu Hause nicht mehr aus?
Frage/Aussage: Ich schlage meinen Bruder/Schwester einfach.
Mögliche Antwort: Du fühlst Dich zornig/eifersüchtig. Ist das richtig? Gibt es eine andere Art zu reagieren?
Frage/Aussage: Meine Mutter/Vater hat nie Zeit für mich. Meine Mutter/Vater machen nie etwas mit mir.
Mögliche Antwort: Was würdest Du gerne machen, wenn Du Zeit mit ihnen hättest?
Frage/Aussage: Ich möchte sterben.
Mögliche Antwort: Finden Sie heraus, ob dies die Reaktion zu einem besonderen Ereignis ist oder ein generelles Gefühl. Wie stark ist das Gefühl und ist das Kind gefährdet? Muss darauf reagiert werden?